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Zwei Alben lang die Welt, dann weiter

Man spricht ja immer von der Berlin-Trilogie, als wäre Bowie ein Konzeptkünstler gewesen, der mit Lineal und Koks den eigenen Lebenslauf kartografiert hat. Low, Heroes, Lodger – drei Platten, drei Städte, drei Perücken. Aber eigentlich, wenn man ehrlich ist, denkt Bowie in Paaren. Zwei Alben lang erfindet er die Welt, dann verliert er das Interesse. Wie ein Kind, das ein ganzes Universum aufbaut – und es dann über Nacht verlässt.

Die frühen Jahre, das war der Hippie mit dem Zopf und den Augen, die sich nie einig wurden, welche Farbe sie tragen wollen. The Man Who Sold the World und Hunky Dory – langhaariger Brit-Folk mit LSD-Nachgeschmack, Zigarrenrauch im Studio, alles noch so unentschieden und unsterblich. Dann kam Glam. Ziggy Stardust und Aladdin Sane:

die eine Platte fliegt, die andere fällt. Erste Liebe und Katerfrühstück.

Danach: Amerika. Diamond Dogs und Young Americans. Die Apokalypse tanzt plötzlich zu Soul-Rhythmen, die Dystopie trägt Schlaghosen. Und kaum wird’s zu groovy, wechselt er schon wieder das Kostüm. Station to Station – halber Messias, halber Koksgeist. Dazu passt der Film The Man Who Fell to Earth, ein nie erschienener Soundtrack zu einem Leben, das ausläuft wie eine Badewanne in L.A. Berlin dann, natürlich. Low und Heroes – Rückzug, Splitter, Fragment. Die Stadt ist kalt, die Synthesizer warm. Lodger hängt noch mit dran, aber eigentlich ist das schon der Abspann. Dann Scary Monsters – ein Nachhall, wie ein letzter Zug aus einer Zigarette, bevor man das Fenster schließt.

In den Achtzigern plötzlich wieder Sonne: Let’s Dance und Tonight – Hochglanz, Nile Rodgers, MTV. Bowie tanzt, aber irgendwas in ihm tanzt nicht mit. Und als das Licht der Scheinwerfer zu grell wird, packt er wieder die Gitarren aus. Day In, Day Out und dann Tin Machine – zwei Alben wie kalte Duschen nach der Discowelle. Rückzug ins Kollektiv, Anti-Star-Therapie. Bowie will wieder Mensch sein, also wird er Band. Und geht fast in ihr unter.

Die Neunziger dann: Black Tie White Noise und Buddha of Suburbia – Armani-Soul mit London-Staub. Danach Outside und Earthling – Techno, Dystopie, Drum’n’Bass-Bowie. Man spürt: Er will noch mal alles anders, aber diesmal ohne neue Frisur.

Im Alter wird er stiller. Heathen und Reality sind zwei Seiten derselben Müdigkeit, die nach Zukunft klingt. Hours bleibt allein zurück, ein verlorenes Fragment, halb Computerspiel (Omikron), halb Abschied. Dann, Jahre später: The Next Day und Blackstar. Zwei Alben wie Tag und Nacht. Das eine ein Rückblick, das andere schon eine Nachricht aus der anderen Seite.

Vielleicht hat Bowie das alles längst gewusst. Dass Menschen sich nie wirklich neu erfinden, sondern nur ihre alten Masken besser tragen. Vielleicht war jede zweite Platte sein Echo, sein Zwilling, sein schiefer Spiegel. Vielleicht sind wir alle so: zwei Kapitel lang überzeugt – und dann wieder jemand anderes. Und so hört man Bowie heute nicht in der Reihenfolge seiner Jahre, sondern seiner Duette. Wie zwei Stimmen, die sich durch Jahrzehnte hindurch gegenseitig zitieren.

Eine Musik, die sich selbst umarmt, loslässt, neu anzieht. Zwei Alben lang die Welt, dann weiter.

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