Die Zukunft hat Moos angesetzt
Über das Ende des Space Age und den Beginn des organischen Zeitalters
Von Studio Marco
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I. Damals, als Zukunft noch weiß war
Es gab einmal eine Zukunft, die nach Plastik roch. Sie war glatt, makellos und
aufgeräumt, eine Zukunft in Weiß, in der man in Rollkragenpullovern in Räumen
stand, die „Spaces“ hießen, und glaubte, der Fortschritt hätte einen
Putzfimmel. Man sprach von der Ästhetik des Morgen, aber gemeint war
eigentlich die Angst vor Flecken. Alles war steril, symmetrisch, klinisch – Apple,
Braun, Dieter Rams, Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum. Die Menschheit
hatte sich selbst als Laborprojekt erfunden, und das Labor war aus Aluminium.
„Less but perfect“ war das Gebot, und wer keine Fingerabdrücke hinterließ, galt
als guter Mensch. Die Zukunft war sauber, leise und etwas unheimlich, wie ein
Operationssaal, in dem man vergessen hatte, warum man überhaupt
hineingegangen war.
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II. Heute ist Zukunft wieder barfuß
Doch inzwischen hat die Zukunft die Schuhe ausgezogen. Sie steht barfuß auf
Moos, trinkt Hafermilch und trägt Jeans, die aus Bananenfasern sind. Sie weiß,
dass Perfektion nichts bringt, wenn der Planet dabei kollabiert. Pharrell
Williams entwirft für Louis Vuitton Kleidung, die nach recyceltem Luxus
aussieht. Virgil Abloh hat Dekonstruktion zum guten Ton gemacht, und in
Kopenhagen baut Bjarke Ingels Häuser, die wirken, als hätten sie ein eigenes
Immunsystem.
Die Zukunft, das ist jetzt Organic Future – oder, wenn man es akademischer
mag, Post-Digital Humanism. Sie will nichts mehr abschaffen. Sie will
verbinden: Erde und Chip, Hand und Algorithmus, Technologie und Gefühl. Man
kann sagen, die Zukunft hat beschlossen, nicht länger so zu tun, als sei sie
sauber.
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III. Die Zukunft riecht nach Erde
Wer heute durch eine Galerie, ein Modeatelier oder ein Designstudio geht,
riecht plötzlich wieder Holz, Ton und Staub. Nicht, weil die Putzfrau gestreikt
hätte, sondern weil Textur zurück ist. Was früher Glanz war, ist heute Struktur.
Was früher Hightech war, ist jetzt Handwerk mit Stromanschluss.
Nike nennt seine Linie „ISPA“, Aesop verkauft nicht Seife, sondern sinnliche
Verantwortung, und selbst Google hat gemerkt, dass matte Farben ein bisschen
weniger nach Weltuntergang aussehen. „Wir bauen keine Maschinen mehr – wir
bauen Ökosysteme“, lautet das neue Credo. Designer wollen nicht mehr die
Zukunft erfinden, sie wollen sie pflegen.
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IV. Der Mensch als Material
Was also ist passiert? Vielleicht das: Wir haben begriffen, dass wir selbst das
Material sind, aus dem Zukunft entsteht. Wir haben die Nase voll von glatten
Bildschirmen und suchen nach etwas, das antwortet, wenn man es berührt.
Nach Oberflächen, die nicht nur zeigen, sondern erzählen.
Die neue Zukunft ist nicht digital gegen analog, sondern digital und analog
zugleich. Sie ist nicht perfekt, aber sie hat eine Haltung. Sie will nicht
beeindrucken, sondern beruhigen.
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V. Die neue Ästhetik: sanft, klug, unaufgeregt
Es ist der Ton, der sich verändert hat. Früher wollte alles „smart“ sein, heute
lieber „sinnvoll“. Das Wort „Innovation“ ist müde geworden, es trägt jetzt
Wollsocken und redet über Kreislaufwirtschaft. Statt um Beschleunigung geht
es um Balance, statt um Effizienz um Nähe.
Ein neues Vokabular taucht auf: Tactile Intelligence, Soft Machines, Bio-Tech
Minimalism. Wörter, die so klingen, als kämen sie aus einem Labor im Wald. Die
Gestalter dieser Generation – von Lemaire bis Studio Drift, von Pangaia bis
ACRONYM – sprechen über Zukunft, als handle es sich um eine Zimmerpflanze:
etwas, das Licht, Pflege und Ruhe braucht, aber auf seine Weise wächst.
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VI. Warum das schön ist
Das Schöne an dieser neuen Zukunft ist, dass sie nicht mehr vorgibt, uns zu
erlösen. Sie will einfach mit uns leben. Nach Jahrzehnten voller
Maschinenfantasien kehrt die Zukunft zu uns zurück – menschlich, weich, ein
bisschen müde vielleicht, aber voller Hoffnung, dass wir diesmal den Schalter
nicht wieder einfach umlegen.
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VII. Studio Marco sagt: Zukunft darf wieder Erde meinen
Zukunft ist kein Stil, sie ist ein Verhalten. Und vielleicht ist sie genau dann
gelungen, wenn sie sich nicht mehr wie Zukunft anfühlt, sondern wie Zuhause.
„Gestaltung, die Zukunft meint, muss auch Erde meinen.“
Das könnte ein Satz sein, der im Murnauer Moos entstanden ist – bei einer
Tasse Kaffee, während jemand barfuß über feuchten Boden läuft und sagt:
„So fühlt sich Fortschritt an.“
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