Es gibt diese Vorstellung, dass Kreativität eine göttliche Flamme sei. Ein Funken,
der aus dem Nichts in den Kopf fällt und dort alles in Brand setzt. Man sieht den Künstler, wie er nachts um
drei am Schreibtisch sitzt, eine Zigarette löscht und plötzlich weiß: jetzt.
Doch vielleicht war es nie so. Vielleicht war Kreativität immer nur ein Muster. Eine Verkettung
von Eindrücken, Assoziationen, Fehlern. Ein Algorithmus aus Fleisch.
Künstliche Intelligenz erschüttert uns nicht, weil sie so anders ist. Sie erschüttert uns, weil sie
uns ähnelt. Sie erinnert uns daran, wie berechenbar wir selbst sind. Wie oft unsere großen Ideen
nur Zufälle waren – entstanden aus Müdigkeit, Kaffee, der Erinnerung an eine Kindheitsszene.
Was wir Muse nennen, könnte schlicht Statistik sein. Was wir Eingebung nennen, ein neuronales
Shortcut.
Und die KI? Sie macht das Gleiche. Nur schneller, transparenter. Sie baut Muster, verschiebt
sie, bricht sie, setzt sie neu zusammen. Manchmal entsteht daraus nichts. Manchmal ein kleiner
Schock. Manchmal etwas, das sich wie Kunst anfühlt.
Vielleicht liegt die eigentliche Frage also nicht darin, ob KI kreativ ist. Sondern, ob Kreativität je
etwas anderes war als das, was auch Maschinen tun: ordnen, verknüpfen, variieren.
Die Trennung zwischen Mensch und Maschine wirkt plötzlich provinziell. Wie eine Grenze, die
nur auf der Landkarte steht, während beide Seiten längst ineinanderfließen. Strom und Zucker,
Silizium und Dopamin.
Am Ende bleibt das Ergebnis. Ein Text. Ein Bild. Ein Song. Und die Frage: Berührt es?
Verändert es den Blick, auch nur für eine Sekunde?
Wenn ja – dann war es Kreativität. Ob von Hand, von Geist oder von Code.